Es ist, als ob dieser Ton ein Ohr in mir erreicht, das es bisher noch gar nicht gibt. Es ist, als ob dieser
Ton alle Höhen durchdringt und mich im Innersten trifft. In einem Innersten, das ich bis dahin nicht wahrgenommen habe.
Und doch ist mir dieses Innerste mit einem Male mehr vertraut als alles, was ich an mir kenne.
Als dieser eine Ton verklungen ist bin ich mir für einen Augeblick unsicher, ob Casals ihn überhaupt gespielt
hat, oder ob es nur gerade ganz still im Raum gewesen ist. Es ist ein Ton, in dem alle Töne klingen und in dem alle Stille ist.
Nicht nur kann ich diesen Ton nicht vergessen; seit jenem Erlebnis suche ich danach, selbst so zu werden, dass
mein Hören, mein Tun, mein Leben sich für diesen "Ton" öffnet. Damals ist mir etwas begegnet, das den Horizont
unseres Begreifens überschreitet: Etwas Absolutes, Unbedingtes, Ewiges – der Ton, in dem alle Töne klingen, der Ton in dem alle Stille ist.
Joachim-Ernst Berendt